Von Psychotherapeut:innen, Psycholog:innen und Psychiater:innen
„Die Arbeit mit Borderline-Betroffenen ist vor allem Beziehungsarbeit mit Menschen, die häufig in existenzielle Not geraten. Dementsprechend kommt man selbst oft in die Situation, in der man sich die eigene Überforderung und Hilflosigkeit zunächst ganz offen eingestehen muss, um dann gemeinsam mit der betroffenen Person an ihren individuellen Lösungen für diese Not arbeiten zu können. Dieser Prozess ist immer anstrengend und oft genug sehr schmerzhaft. Wer sich diesem Wagnis aber immer wieder ehrlich stellt, wird mit einem über die Jahre anwachsenden Reichtum an Lebenserfahrung, Gelassenheit, Sinnverbundenheit und letztlich Weisheit belohnt, den ich in meinem Leben auf keinen Fall mehr missen möchte.“
Psychologe und Psychotherapeut, tätig in einem Tageszentrum für Borderlinestörungen
„Den Terminus „Borderline-Personlichkeitsstörung“ empfinde ich als sehr unglücklich gewählt. Etwas besser, aber bei weitem nicht perfekt, wäre der Fachbegriff „Borderline-Persönlichkeit“, wobei ich mit diesem Begriff weiterhin unzufrieden bin. Was ist hier wesentlich? Laut ICD-10 heißt es „Emotional instabile Persönlichkeitsstörung“, aber auch mit diesem Fachterminus bin ich unzufrieden. Die Wortwahl empfinde ich als sehr unaufmerksam. Was ist das klinisch Relevante? Es ist unter anderem die erhöhte Schwierigkeit bei Patient:inenn ihre oder seine Emotionen zu regulieren. Dazu kommen noch Problematiken in den Bereichen Identität, Selbstbild und zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Terminus sagt weniger bis gar nichts darüber aus, was wirklich mit einem oder einer Betroffenen los ist. Ein leicht zu missverstehender Fachbegriff für so eine komplexe Symptomatik. Ein möglicher Vorschlag für einen neuen Terminus wäre „Borderline-Persönlichkeitsanteils-Problematik“. Aber auch der wäre verbesserungswürdig.
Natürlich wird man depressiv, wenn man bemerkt, dass man im Kontext des sozialen Umfeldes nicht „funktioniert“ oder die Erwartungen nicht erfüllt, denke ich mir als Mensch und auch als Facharzt für Psychiatrie. Ursächlich sind doch in den allermeisten Fällen Verletzungen, die viele Betroffene schon sehr früh erfahren haben. Auch die Invalidierung vom nahen Umfeld kann dafür ursächlich sein.
Ich versuche all meinen Patient:innen mit Offenheit und Empathie zu begegnen und sie als verletzte Menschen zu sehen, ohne sie dabei abzuwerten oder als Opfer zu behandeln. Zudem bemühe ich mich sehr eine „kindliche“ Neugier beizubehalten und nach dem Warum zu fragen und die Patient:innen miteinzubeziehen. Vorurteilfrei versuche ich heruszufinden, wie ich ihm oder ihr helfen kann. Borderline ist ein sehr komplexes Krankheitsbild, welches sowohl in der Symptomatik als auch im Umgang, insbesondere mit zunehmenden Alter, sehr heterogen ist. Daher ist es meines Erachtens sehr wichtig, dem oder der Patient:in gut zuzuhören und ihn oder sie auch miteinzubeziehen in meine Überlegungen, um gemeinsam als Team, Lösungen zu finden.“
Facharzt für Psychiatrie und Neurologie